Athletinnenumfrage
Swiss Olympic hat im Frühling 2021 eine Umfrage mit den Schweizer Elite-Athletinnen durchgeführt, um Daten über spezifisch weibliche Themen, die für Training und Leistung relevant sind, zu erheben.
Ziel der vorliegenden Studie ist es, anhand einer Umfrage zu analysieren, wie Schweizer Spitzenathletinnen mit den Themen Menstruationszyklus, Verhütung, Beckenboden, Verletzungen, Schwangerschaft oder Ernährung umgehen.
Die Ergebnisse beschreiben, wie sich diese Themen auf die sportlichen Aktivitäten auswirken und zeigen entsprechende Handlungsfelder auf. Die Studie dient als Grundlage, um die leistungsrelevanten Faktoren im Spitzensport individueller auf die weibliche Physiologie anzupassen und damit Effizienz und Effektivität zu verbessern.
- Die Datenerhebung erfolgte mittels quantitativer Umfrage. Der Online-Fragebogen enthielt insgesamt 55 fakultative Fragen mit Filterfragen, die themenspezifisch gegliedert waren.
- Für die Studie wurden 1092 Athletinnen aus 107 Sportarten angeschrieben, die im Besitz einer Swiss Olympic Card Gold, Silber, Bronze oder Elite sind.
Sportarten und Cards
- 408 Athletinnen aus 92 Sportarten, knapp 40% der angeschriebenen Athletinnen, haben an der Umfrage teilgenommen und wurden in die Auswertung aufgenommen, wenn mindestens der ersten frauenspezifischen Themenblock des Fragebogens (Menstruation) beantwortet wurde.
- Der Rücklauf war insbesondere bei Athletinnen mit einer Bronze oder Silber Card sehr hoch (62.3% resp. 53.2%). Von der grössten Gruppe, den Athletinnen mit einer Elite Card, haben 30.8% geantwortet. Athletinnen mit einer Gold Card bildeten mit 21 antwortenden Athletinnen (Rücklaufquote 39.6%) die kleinste Gruppe. Der gute Rücklauf zeigt, dass die Thematik bei den Athletinnen auf Interesse stösst und relevant ist.
- Die grosse Mehrheit der Athletinnen (71%) ist in einer Einzelsportart aktiv, 21% in einer Mannschaftssportart und 8% in einer Teamsportart. Aus 8 Sportarten haben 10 oder mehr Athletinnen an der Befragung teilgenommen (vgl. Abbildung «Rücklauf Sportarten»). Die Tabelle «Rücklauf Sportarten» zeigt die Auflistung der Sportarten, bei welchen weniger als 10 Athletinnen an der Umfrage teilgenommen haben.


Alter
Die Auswertung zeigt eine ausgeglichene Altersverteilung. Die Hälfte der Athletinnen ist 23 Jahre oder jünger, 30% sind jünger als 30 Jahre und 20% älter als 30 Jahre.

Training und Trainingsalter
- Die Auswertung der Umfrage zeigt, dass mehr als die Hälfte der Athletinnen wöchentlich 16 Stunden oder mehr für ihre sportlichen Aktivitäten, also für Training und Wettkampf, aufwenden. Die mittlere Trainingsstundenzahl beträgt etwa 16 Stunden. Nur Athletinnen mit einer Elite-Card geben an, weniger als 10 Stunden pro Woche für Training und Wettkampf aufzuwenden. Alle Athletinnen mit einer Swiss Olympic Card Bronze, Silber oder Gold trainieren mehr.
- Zwei Drittel der befragten Athletinnen betreiben ihre Sportart seit mehr als 6 Jahren auf diesem Niveau, 42% zwischen 6-10 Jahren, 18% zwischen 11-15 Jahren und 9% sind seit mehr als 16 Jahren in einem Nationalkader eines Verbandes.

Eine Metaanalyse von 78 Studien (McNulty et al., 2020) bescheinigt dem Menstruationszyklus insgesamt einen minimalen Einfluss auf die Leistungsfähigkeit. Für den Leistungssport, wo am Ende oft Kleinigkeiten entscheidend sind, kann der aber gerade interessant sein. Aussagen zur Leistungsbeeinflussung durch den Menstruationszyklus lassen sich aber nicht generalisieren. Entscheidend ist, dass eine Athletin ihren Zyklus und dessen Auswirkungen wahrnimmt. Diese Kenntnis über den eigenen Körper ist von zentraler Bedeutung, um Training und Leistungsfähigkeit einer Athletin zu optimieren.
Menarche, Dauer und Regelmässigkeit
- Zwei Drittel der Athletinnen waren zwischen 12 - 14 Jahre alt, als sie ihre erste Menstruation hatten. Mit 15 Jahren hatten 80% der Athletinnen ihre Menarche. Bei praktisch allen befragten Athletinnen kam diese auf natürliche Weise.
- Die Athletinnen wurden vertieft zur Regelmässigkeit (Menstruation alle 28 - 34 Tage) ihres Menstruationszyklus befragt. Für die Analyse wurden nur Athletinnen berücksichtigt, die angegeben haben, keine hormonellen Kontrazeptiva zu verwenden. Fast 80% dieser Gruppe gibt an, meistens oder immer einen regelmässigen Zyklus zu haben. Bei gut 18% der Athletinnen trifft das nicht zu, ihr Zyklus ist meistens oder nie regelmässig. Die restlichen 2% der Athletinnen geben an, wegen des Verhütungsmittels oder einer Schwangerschaft aktuell keine Menstruation zu haben.
Beeinflussung Leistungsfähigkeit
- Die Abbildung «Beeinflussung Leistungsfähigkeit durch den Menstruationszyklus» zeigt, dass die Leistungsfähigkeit einige Tage vor der Menstruation wie auch während der Menstruation sehr oder eher negativ beeinflusst ist. Auffallend ist, dass von den Teamsportlerinnen über 80% von eher oder sehr negativen Leistungseinbussen während der Menstruation betroffen sind.
- Athletinnen, die ein Trainingsalter von mehr als 10 Jahren haben, bewerten die Phase während der Menstruation eher als positiv für ihre Leistung. In dieser Phase ist zu erkennen, dass die subjektive gefühlte negative Leistungsbeeinflussung mit höherem Trainingsalter abnimmt.
- Die Zyklusphasen «nach der Menstruation bis zum Eisprung (Zyklusmitte)» und «um den Eisprung herum» beeinflussen die Leistungsfähigkeit sehr oder eher positiv. Diese Rückmeldungen lassen sich in die bestehenden Forschungsergebnisse einordnen. In der Phase «nach der Menstruation bis zum Eisprung (Zyklusmitte)» geben lediglich 5% der Athletinnen an, eine negative Beeinflussung wahrzunehmen.
- Auffallend bei allen Zyklusphasen sind die hohen Anteile an "weiss nicht" bzw. "gar nicht"- Angaben. In der Phase «um den Eisprung (Zyklusmitte)» geben rund 30% der Athletinnen an, gar nicht durch den Menstruationszyklus beeinflusst zu sein, weitere rund 30% wissen es nicht.
- Die Streuung der Werte in Bezug auf die Leistungsfähigkeit ist gross. Entsprechend wichtig ist es, sich bei der Trainingsplanung und -steuerung auf die individuellen Rückmeldungen und Erfahrungen der Athletinnen zu stützen.
- Aufgrund der Leistungsbeeinflussung durch den Menstruationszyklus gibt rund ein Fünftel der Athletinnen an ein oder mehr Trainings ausgelassen zu haben in den letzten 3 Monate vor der Umfrage. Unter 1% musste in der gleichen Zeitspanne aus diesem Grund einen Wettkampf auslassen.

Zyklusstörungen
- Als Zyklusstörungen werden u.a. eine verlängerte Zyklusdauer (> 35 Tage) oder das gänzliche Ausbleiben der Menstruation über eine Dauer von über 3 Monaten beschrieben.
- Von den Athletinnen, die auf hormonelle Kontrazeptiva verzichten und nicht schwanger sind, geben knapp 6% an, seit mindestens 3 Monaten keine Regelblutung mehr gehabt zu haben. Davon ist bei der Hälfte der Zyklus seit 5 Monaten oder länger ausgefallen. Die Anzahl Athletinnen, die angegeben haben, weniger als 9 Menstruationszyklen pro Jahr zu haben, ist mit fast 15% deutlich höher.
- Zyklusstörungen können ein Indikator für einen relativen Energiemangel (RED-S) sein. Beim RED-S führt ein wiederholt vorhandenes Energiedefizit zu hormonellen Störungen, die eine Leistungseinbusse im Sport, Knochendichteminderung und weitere gesundheitliche Probleme zur Folge haben können.
Veränderung Menstruation bei Trainingssteigerungen
- Bei knapp einem Drittel der Athletinnen verändert sich die Menstruation, wenn sie Trainingsintensität, -frequenz oder -dauer steigern. Wie die Abbildung «Veränderung Menstruation bei Trainingssteigerungen» zeigt, betreffen mehr als 50% der genannten Veränderungen, eine Verkürzung der Menstruationsdauer oder eine Abnahme der Blutung. Weitere 25% benennen das Ausbleiben der Menstruation, welche nach Trainingsreduktion allerdings wieder einsetzt. 20% der Nennungen betreffen die Zunahme der Dauer oder der Stärke der Menstruation.
- Zyklusveränderungen bei einer Steigerung des Trainings werden oft falsch gedeutet. Der Mythos hält sich hartnäckig, dass ein Ausbleiben der Menstruation als Zeichen guten Formstands oder guter Kondition betrachtet wird. Ein regelmässiger Zyklus ist der beste Gesundheitsindikator für eine Athletin - entsprechend müssen die Athletinnen über mögliche Konsequenzen bei einer Veränderung des Zyklus sensibilisiert und informiert sein.

Zyklusmonitoring
- Das Zyklusmonitoring hilft, die grundlegende und individuelle Biologie des Zyklus zu verstehen und interpretieren. Erst dadurch wird der Einfluss des Zyklus auf Leistung und Gesundheit ersichtlich. Forschungsergebnisse und -erkenntnisse treffen nicht auf alle zu. Die Auswirkungen des Zyklus sind individuell.
- Knapp 60% der Spitzenathletinnen führen aktuell ein Zyklusprotokoll.
- Ein Grossteil der Athletinnen, die ein Zyklusprotokoll führen, nutzt dazu eine App (40%). Diese Möglichkeit wird vor allem von der jüngsten Athletinnengruppe (<20-jährig) sowie von den Mannschaftssportlerinnen stark genutzt. Weiter erfassen je 10% der Athletinnen ihren Menstruationszyklus im Trainingstagebuch oder einem Kalender/Agenda.
Es gibt eine Vielzahl hormoneller Verhütungsmethoden. Ein Fachgespräch hilft herauszufinden, welche Hormone wofür verantwortlich sind und wie sie Leistung und Training beeinflussen können.
Verwendung Kontrazeptiva
- Von den befragten Athletinnen geben 45% an, hormonelle Kontrazeptiva zu verwenden. Das Alter und damit verbunden die Lebenssituation haben Einfluss auf den Entscheid für oder gegen Kontrazeptiva. Der Anteil von Athletinnen im Alter zwischen 21-29 Jahre ist mit 55% über dem Durchschnitt - bei den anderen Altersgruppen (<20 und >30) geben maximal 35% an, hormonelle Kontrazeptiva zu verwenden.
- Von den 181 Athletinnen, die angeben, hormonelle Kontrazeptiva zu verwenden, nehmen 104 (58%) die Antibabypille ein. Damit ist die Pille das am häufigsten verwendete Kontrazeptivum und das zweithäufigste hormonelle Profil nach der Gruppe, die angegeben hat, keine hormonellen Kontrazeptiva zu benutzen. Weiter werden die Hormonspirale (32%) und der Hormonring (z.B. NuvaRing 9%) genannt. Kaum Verwendung finden Hormonimplantate (1%). Zu ähnlichen Ergebnissen kommt eine englische Studie mit Spitzenathletinnen (Martin et al., 2018).
- Die Abbildung «Gründe für Verwendung von Kontrazeptiva» zeigt, dass Kontrazeptiva nicht nur zur Verhütung eingesetzt werden. Weitere Gründe sind die Reduktion von Menstruationsbeschwerden oder die Reduktion der Blutung. Athletinnen, die keine Kontrazeptiva verwenden, geben zu 65% an von Menstruationsbeschwerden betroffen zu sein im Gegensatz zu knapp 50% bei hormonell Verhütenden. Kontrazeptiva (primär die Pille) werden auch «strategisch» eingesetzt, um den Menstruationszyklus im Hinblick auf wichtige Wettkämpfe zu regulieren.

Beeinflussung Leistungsfähigkeit
- Die Frage nach der Leistungsbeeinflussung durch hormonelle Kontrazeptiva kann nicht eindeutig beantwortet werden. Zur grossen «ich weiss es nicht»- Gruppe (43%) können die rund 30% dazugezählt werden, die keinen Unterschied ihrer Leistungsfähigkeit aufgrund hormoneller Kontrazeption feststellen. Der Anteil an "ich-weiss-nicht»-Aussagen ist bei jüngeren Athletinnen und bei Athletinnen, die Kontrazeptiva zur Verhütung einsetzen, am grössten.
- 14% der Athletinnen, die hormonell verhüten, fühlen sich bei ihren sportlichen Aktivitäten konstanter und 8% besser. Die negative Beeinflussung (weniger konstant oder schlechter) ist mit knapp 4% sehr gering (vgl. Abbildung «Beeinflussung der Leistungsfähigkeit durch Kontrazeptiva»).
- Eine Metaanalyse (Elliott-Sale and McNulty, 2020) mit 42 Studien zum Effekt von Kontrazeptiva auf die Leistungsfähigkeit von Athletinnen kommt zu ähnlichen Ergebnissen.
- Athletinnen wird empfohlen, einen individuellen Ansatz zu verfolgen. Dieser sollte Faktoren wie den Grund für die Verwendung von Kontrazeptiva die Erfahrung mit einem natürlichen Menstruationszyklus, die Sportart und die Reaktionen und/oder Nebenwirkungen der verwendeten Kontrazeptiva berücksichtigen.

Untersuchung bei Gynäkolog*in
- Mehr als zwei Drittel der Athletinnen (70%) konsultieren im Minimum alle drei Jahre eine Gynäkolog*in, 52% sogar jährlich (vgl. Abbildung «Gynäkologische Untersuchung») Athletinnen, welche die Pille nehmen, gehen mehrheitlich regelmässiger in eine gynäkologische Untersuchung. Von den Athletinnen (26%), die angeben, nicht regelmässig oder noch gar nie in einer gynäkologischen Beratung gewesen zu sein, verwenden 90% keine Kontrazeptiva und sind zu mehr als 50% jünger als 24 Jahre. Diese Zahl ist deutlich höher als der Vergleich mit den Schweizer Frauen aus der gleichen Altersgruppe. Von der Schweizerischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe wird aktuell alle drei Jahre eine Kontrolle empfohlen.
- Die Athletinnen wurden vertieft zu den Personen befragt, die sie in gynäkologischen Fragen beraten. Knapp die Hälfte der Athletinnen gibt an, sich durch niemanden in Athletinnen-spezifischen gynäkologischen Fragen beraten zu lassen. Die Abbildung «Gynäkologische Beratung» zeigt, dass die gynäkologische Beratung nicht nur durch die Gynäkolog*in erfolgt. Auch (Sport-) Ärzt*innen, Physiotherapeut*innen oder Trainer*innen übernehmen in diesen Themen eine Beratungsfunktion. Noch zu wenig bekannt ist das von Swiss Olympic betreute Netzwerk «Sport und Gynäkologie». Sportaffine Spezialist*innen nehmen sich hier den Athletinnen an und beraten sie bei individuellen sportmedizinisch-gynäkologischen Fragen.


Die Beckenbodenmuskulatur schliesst das Becken gegen unten ab und stützt die inneren Organe. Er kann willentlich angespannt und entspannt werden und ist darum trainierbar. Erzeugt der Beckenboden zu viel oder zu wenig Spannung, kann dies zu Dysfunktionen führen und Schmerzen oder eine Belastungsinkontinenz verursachen.
Beckenboden
- Die Abbildung «Symptome Beckenbodendysfunktionen» zeigt eine hohe Auftretenshäufigkeit möglicher Symptome, wovon rund 80% der Athletinnen von mindestens einem betroffen sind. Mehr als die Hälfte der Athletinnen sind gar von zwei oder mehr dieser Symptome betroffen. Als häufigste Symptome werden «Schmerzen während der Menstruation» genannt, gefolgt von «Schmerzen tief im Becken (Region Steissbein, Schambein, Scheider oder Unterbauch)», «unfreiwilliger Verlust von Wind (Blähungen)» und «unfreiwilliger Urinverlust (Belastungsinkontinenz)»
- 3/4 der betroffenen Athletinnen mit Beckenboden-Symptomen sind "Langzeit-Betroffene" und geben an, seit mindestens einem Jahr von den Symptomen betroffen zu sein, 43% sogar seit mehr als 4 Jahren. Obwohl die Athletinnen über eine lange Dauer mit den Beschwerden einer Beckenbodensymptomatik konfrontiert sind, wirken sich diese Beschwerden nur wenig störend auf ihre sportlichen Aktivitäten aus. Zwei Drittel dieser Athletinnen sind in der Ausübung ihrer Hauptsportart kaum dadurch beeinträchtigt.
- Die Beckenboden-Thematik unterliegt einem hohen Tabuisierungsgrad. Dies belegt die hohe Zahl von einem Drittel betroffener Athletinnen, die noch mit niemanden über dieses Symptom gesprochen hat. Über die Thematik wird im sozialen Umfeld (Familie / Freunde, Trainingskolleginnen) gesprochen, kaum mit Fachpersonen (Abbildung «Ansprechpersonen bei Beckenbodensymptomatik»). Fach- und/oder Anlaufstellen mit auf die Thematik spezialisierten Ansprechpersonen sind verfügbar, werden aber kaum konsultiert. Eine spezifische Therapie für die angegebenen Beschwerden haben nur 10% der Athletinnen gemacht (bspw. Beckenboden-Training, medikamentöse Behandlung oder Einnahme eines natürlichen Heilmittels). Es braucht weitere Anstrengungen, über die Beckenbodenthematik zu informieren und damit zu enttabuisieren.


Belastungsinkontinenz
- Belastungsinkontinenz wird im Sport kaum thematisiert, weder von Betroffenen noch Nicht-Betroffenen. Von den befragten Athletinnen geben knapp 20% an, unfreiwillig Urin zu verlieren. Im Vergleich mit anderen Studien (u.a. Hastings and Machek, 2020) ist dieser Wert eher tief - Reviews zeigen, dass im Schnitt ca. 40% der befragten Teilnehmerinnen von einer Belastungsinkontinenz betroffen sind.
- Das Symptom tritt häufig bei körperlicher Tätigkeit und/oder sportlicher Aktivität (79%) und beim Husten und/oder Niesen (40%) auf. Der Urinverlust wird als klein - Tröpfchen (63%) - oder mittel - Slip ist etwas feucht (37%) - angegeben.
- Mehr als 90% der betroffenen Athletinnen leiden seit mindestens 6 Monaten an Belastungsinkontinenz, 28% sogar seit mehr als 4 Jahren. Studien zeigen (u.a. Berghmans et. al. 2007), dass spezifisches Beckenbodentraining hilft, die Beschwerden zu reduzieren.
- Eine vertiefte Analyse der von Belastungsinkontinenz betroffener Athletinnen zeigt, dass es keinen Zusammenhang zwischen dem Sportartentyp (Mannschaft- / Team- oder Einzelsportart) und der Belastungsinkontinenz gibt. Rückschlüsse auf einzelne Sportarten sind aufgrund zu geringer Anzahl Athletinnen pro Sportart nicht möglich. Es besteht aber ein Zusammenhang zwischen der Altersgruppe und der Belastungsinkontinenz. Auffallend ist, dass bei den > 33-jährigen Athletinnen der Prozentsatz von Betroffenen deutlich grösser ist als in den anderen Altersgruppen.
Ein gesunder Körper ist das Kapital der Athletinnen, Gesundheit in allen Sportarten Leistungsvoraussetzung. Höchstleistungen können in der Regel erst nach einem mehrjährigen strukturierten Training erreicht werden. Verletzungen werfen die Athletinnen auf diesem Weg zurück. Medizinische und gesundheitliche Dienstleistungen gehören wie das Training an sich zu einer nachhaltigen Sportförderung.
Verletzungssituation
- Mehr als 40% der Athletinnen hatte 2020 eine (33%) oder mehrere Verletzungen (10%). Bei knapp 90% davon, bringt dies Abwesenheiten von Trainings und/oder Wettkämpfen mit sich. Durch Covid-19 war 2020 die Wettkampfsituation kaum vergleichbar mit anderen Jahren. Entsprechend gaben 37% der Athletinnen, die im Jahr vor der Befragung von Verletzungen tangiert waren, nur Trainingsabwesenheiten an. 47% der Athletinnen hatte verletzungsbedingte Ausfälle bei Training und Wettkampf (Vgl. Abbildung «Abwesenheiten durch Verletzungen»)
- Je nach Art der Verletzung kam es entsprechend zu unterschiedlich langen Trainings- und/oder Wettkampfabwesenheiten. Die Abbildung «Dauer Abwesenheiten durch Verletzungen» zeigt, dass 36% Athletinnen ein Jahr vor der Befragung mehr als 2 Monate durch eine Verletzung ausgefallen sind. Knapp die Hälfte gab an, aufgrund der Verletzung 2 - 7 Wochen dem Training und/oder Wettkampf ferngeblieben zu sein. Von einer leichten Verletzung kann gesprochen werden, wenn der Trainingsunterbruch maximal eine Woche dauerte. Dies war bei 20% der Athletinnen der Fall.
- Einen systematischen Zusammenhang zwischen Verletzung und unregelmässigem Zyklus ist aus der Datenanalyse nicht feststellbar.


Akute und chronische Verletzungen
- Von den Athletinnen mit einer Verletzung haben rund 90% die Verletzung(en) genauer beschrieben. Diese Rückmeldungen wurden zum einen und wo möglich, «lokalisiert», also auf die unterschiedlichen Körperteile zugeteilt und zum anderen zwischen akuter und chronischer Verletzung unterschieden (vgl. Abbildung «Verletzungen pro Körperregion). Zu den akuten Verletzungen zählen beispielsweise Unfälle, Stürze mit Frakturen, Zerrungen oder Muskelfaserrisse. Als chronische Verletzung werden beispielsweise Stressfrakturen oder Entzündungen definiert.
- Die Analyse zeigt, dass bei Rücken, Unterschenkel und gesamten Körper die chronischen Verletzungen dominieren. Bei den restlichen Körperregionen sind es anteilsmässig eher akute Verletzungen. Die meisten Verletzungen betrafen Knie und Fuss.

Sportliche Karrieren dauern heute länger. Im Gegensatz zu noch vor ein paar Jahren bedeutet eine Schwangerschaft für eine Athletin nicht unbedingt das Ende der Karriere. Es fehlen aber wissenschaftliche Erkenntnisse, ob Spitzenathletinnen heute den Weg zurück in den Spitzensport häufiger finden als früher.
Familienplanung und Sport
- Viele Athletinnen haben Respekt vor der Entscheidung, als aktive Spitzenathletin ein Kind zu bekommen. Prominente nationale und internationale Beispiele zeigen aber, dass die Vereinbarkeit von Familie und Erfolg durchaus möglich ist.
- Aus der Analyse der Befragung geht hervor, dass bei über 41% der Athletinnen, der Zeitpunkt der Familiengründung von der sportlichen Karriere beeinflusst wird, 34% verneinen eine Beeinflussung und 25% können zu dieser Frage (noch) keine Einschätzung abgeben.
- Das Alter sowie der sportliche Leistungsausweis scheinen dabei entscheidende Faktoren bei der Beantwortung dieser Frage zu sein.
- Es besteht ein Zusammenhang zwischen der Beeinflussung der Familienplanung und den Altersgruppen. Der Prozentsatz an «Ich weiss nicht» Aussagen nimmt mit zunehmendem Alter ab. Umgekehrt steigt mit zunehmendem Alter die Einschätzung, dass die sportliche Karriere die Familienplanung beeinflusst. Weiter zeigt sich, dass die Zustimmung bei Athletinnen mit einer Gold oder Silber Card tendenziell höher ist. Athletinnen mit einer Elite Card verneinen diese Frage zu einem höheren Prozentsatz.
Spitzenathletin und Mutter?
Für Athletinnen, die auch Mütter sind, nimmt die Akzeptanz im Sport zu. Spitzenleistungen sind auch möglich, wenn eine Frau Kinder hat. Von den befragten Athletinnen kann es sich aber nur ein Drittel vorstellen, als Mutter weiterhin Spitzensport zu betreiben - ein Drittel verneint diese Frage und ein weiteres Drittel kann sich dazu noch nicht äussern. Alter oder Leistungsniveau der Athletin beeinflussen das Antwortverhalten kaum. Einzig bei der Altersgruppe der >33-Jährigen ist der Ja-Anteil höher als bei den anderen Altersgruppen. Die Vereinbarkeit von Spitzensport und Familie scheint für die Athletinnen nicht gegeben.
Unterstützung
- Früher oder später muss eine schwangere Athletin ihr Umfeld informieren. Grundsätzlich ist eine Athletin nicht verpflichtet, eine Schwangerschaft vor Erreichen des vollständigen dritten Schwangerschaftsmonats mitzuteilen. Eine zeitnahe Kommunikation aber hilft in den meisten Fällen der Athletin - Verbände, Sponsoren und Veranstalter erwarten leistungsstarke Athletinnen. Darum ist es sinnvoll, die Konsequenzen einer Schwangerschaft vertraglich festzuhalten. Eine mögliche Schwangerschaft sollte bei Vertragsverhandlungen unbedingt angesprochen werden, damit unnötige Überraschungen und damit einhergehende Konfliktsituationen vermieden werden können.
- Von den befragten Athletinnen geben nur gerade 8% an, dass sie im Fall einer Schwangerschaft von Verband, Verein oder Sponsor weiterhin unterstützt werden - 80% können diese Frage nicht beantworten. Im Falle einer Schwangerschaft wissen also vier Fünftel der Athletinnen nicht, ob sie weiterhin voll auf ihre Sponsoren und weitere Unterstützer zählen können. Nur eine vertraglich festgehaltene und ausgewogene Regelung unterstützt Athletinnen im Falle einer Schwangerschaft dabei, ihre sportlichen Karrieren auch als Mütter erfolgreich fortzuführen. Ein Beispiel einer Schutzklausel ist im Merkblatt «Wie gehen wir mit einer schwangeren Athletin um» von Swiss Olympic zu finden.
Der Energieaufnahme kommt im Sport besondere Bedeutung zu. Die Verfügbarkeit von ausreichend Energie ist die Basis jeder sportlichen Leistung.
Ernährungsstil
- Eine der wichtigsten ernährungsbezogenen Massnahmen für Athletinnen ist, genügend zu essen. Es gibt viele Empfehlungen zur Lebensmittelaufnahme für Sportlerinnen - welche werden aber auch wirklich umgesetzt und angewendet? Die Athletinnen wurden befragt, welche Ernährungsstile sie pflegen und umsetzen.
- Im Gegensatz zur Normalbevölkerung ernähren sich mehr Athletinnen vegetarisch oder vegan. Stand 2020 ernährten sich in der Schweiz rund 6% der Bevölkerung vegetarisch und rund 3% vegan - weitere 20% gaben an, häufig auf Fleisch zu verzichten. Die Auswertung der Umfrage zeigt, dass 15% der Athletinnen einen vegetarischen und 4% einen veganen Ernährungsstil pflegen.
- Neben dem Ernährungsstil wurde auch gefragt, ob bewusst auf bestimmte Lebensmittel verzichtet wird. Zwei Drittel der Athletinnen geben an, keine Einschränkungen bei der Lebensmittelaufnahme zu machen. Die Abbildung «Lebensmittelverzicht» zeigt, dass am häufigsten auf Fleisch (29%), Milchprodukte (23%), Fisch (22%) und Gluten (11%) verzichtet wird. Kaum genannt wurden Kohlenhydrate oder Fette.
- Die vertiefte Analyse zeigt, dass ein veganer oder vegetarischer Ernährungsstil keinen Einfluss auf die Zyklusregelmässigkeit bzw. die Häufigkeit von Verletzungen hat. Auch war kein systematischer Zusammenhang zwischen einer Vegetarierin und/oder Veganerin und einem tiefen BMI feststellbar.

Die Kommunikation zwischen der Athletin und ihrem sportlichen Umfeld ist elementar. Damit Spitzenleistungen möglich sind, müssen Trainer*innen (oder andere Personen) ihre Athletinnen kommunikativ erreichen und sie auf dem Weg zu ihren sportlichen Zielen unterstützen und coachen. Zu einer kommunikativen Erfolgsstrategie gehört auch, dass Athletinnen sich mit ihren Trainer*innen offen austauschen und über frauenspezifische Themen sprechen (können).
Kommunikation über frauenspezifische Themen
- Knapp 80% der befragten Athletinnen sprechen mit Personen aus ihrem Athletinnenumfeld über Themen wie Menstruation, Verhütung, Beckenboden, Gewicht oder Ernährung. Das Geschlecht der Person spielt dabei eine entscheidende Rolle. Es fällt auf, dass die Kommunikation auffällig öfter mit weiblichen Personen (65%) stattfindet. Weitere 34 % geben an, dass ihnen das Geschlecht der Bezugsperson keine Rolle spielt.
- 86% der befragten Athletinnen geben an, dass ihnen keine Ansprechpersonen fehlen. Von den anderen 14% werden v.a. fehlende Ansprechpersonen für folgende Themenbereiche identifiziert: Verhütung / Kontrazeptiva, Zyklus, Ernährung und zyklusgesteuertes Training. Fachpersonen in diesen Themen sind im Schweizer Sportsystem vorhanden, sind aber den Athletinnen (noch) zu wenig bekannt. Es ist zu prüfen, warum die Informationen die Athletinnen nicht erreichen.
Tabuthemen
Obwohl ein Grossteil der Athletinnen angibt, mit ihrem Umfeld über frauenspezifische Themen zu sprechen, gibt es v.a. ein Thema, das als Tabuthema identifiziert werden kann: Beckenbodendysfunktionen (bspw. Belastungsinkontinenz). Dies aus dem Grund, dass es den Athletinnen zu persönlich oder unangenehm ist oder weil kein Bedarf besteht.