«Toolbox für Sporteltern» des Kantons Zürich
Experten: Dr. Michael Romann, Dr. rer. Nat. Dennis Born (BASPO)
Durch eine optimale Trainings- und Wettkampfplanung sollen die Ziele an Wettkämpfen erreicht werden. Unter Berücksichtigung der Trainingssteuerung und Regeneration streben Trainer*innen eine optimale Leistungsentwicklung je nach aktuellem Trainingsstand ihrer Nachwuchsathlet*innen an.
Mit der Trainings- und Wettkampfplanung werden die Ziele, der Aufbau, die Inhalte, die Methoden und die Organisation des Trainings für einen bestimmten Zeitraum festgelegt. In der Regel ist die Trainings- und Wettkampfplanung Aufgabe der Trainer*innen. Eine Vielzahl von Komponenten muss berücksichtigt werden, was zu einer anspruchsvollen Planung führt und Flexibilität von allen Beteiligten fordert.
Die «Ethik-Charta im Sport» des Bundesamtes für Sport und von Swiss Olympic hält fest, dass die Anforderungen an Nachwuchsathlet*innen mit dem sozialen Umfeld, insbesondere mit den Ansprüchen der Familie, der Schule und der Ausbildung, im Einklang stehen müssen. Die Würde der Jugendlichen, ihre ganzheitliche Entwicklung, ihre Gesundheit, ihre Individualität und ihre Freude am Sport haben immer Priorität und sind höher zu gewichten als der sportliche Erfolg. (siehe auch Bereich «Ethik und Prävention».
Die Entwicklung jedes Menschen verläuft individuell und das biologische Alter weicht oft vom kalendarischen Alter ab. Diese Abweichung kann bis zu fünf Jahre betragen. Bei der Planung und Gestaltung des Trainings müssen Individualität und Altersstufe im Vordergrund stehen. Aufgrund der komplexen Mechanismen müssen Trainings- und Wettkampfplanung sorgfältig aufeinander abgestimmt werden. Dabei gilt es einige Punkte zu berücksichtigen.
Trainingsreiz
Das Training muss auf die individuellen Bedürfnisse und die psychischen und physischen Voraussetzungen der Nachwuchsathlet*innen abgestimmt sein. Je höher das sportliche Niveau ist, desto spezifischer und individueller werden die Trainingsreize gesetzt. Gleichbleibende und monotone Trainingsreize verlieren mit der Zeit ihre Wirkung.
Belastung und Erholung
Um eine Leistungssteigerung zu erzielen, muss die Intensität gesteigert werden (progressive Belastungssteigerung). Dabei ist zu beachten, dass durch kontinuierlich zu hohe Trainingsintensitäten, zu hohes Trainingsvolumen, zu grosse Belastungssprünge oder unzureichende Regenerationszeiten zwischen den Trainingseinheiten ein Übertraining ausgelöst werden kann und dadurch das Leistungsniveau sinkt. Die regenerativen Massnahmen müssen genauso wie die Trainingseinheiten geplant und umgesetzt werden (siehe auch Bereich «Trainingssteuerung».
Belastungsfolge
Werden in der gleichen Trainingseinheit mehrere koordinativ-technische und konditionelle Fähigkeiten trainiert, müssen Auswahl und Abfolge der einzelnen Trainingsteile gut aufeinander abgestimmt werden.
Kontinuität
Je regelmässiger trainiert wird, desto schneller entwickelt sich das Leistungspotenzial. Trainingsunterbrüche, die nicht der gezielten Regeneration dienen, können zu einem Leistungsabbau führen.
Periodisierung
Wer auf ein bestimmtes Ziel hintrainiert, muss den Formaufbau etappenweise planen. Bei der Trainingsplanung spielen die individuellen Voraussetzungen sowie die Ziele und Teilziele eine entscheidende Rolle.
Adaptionszeiten
Die verschiedenen Regenerations- und Anpassungsprozesse benötigen unterschiedlich viel Zeit. Aktive Teile des Bewegungsapparates wie die Muskulatur passen sich schneller an als passive wie Bänder oder Knochen.
Um mittel- und langfristige Ziele für Trainings und Wettkämpfe festzulegen, machen Trainer*innen in der Regel eine Standortbestimmung. Dabei spielen Faktoren wie individuelle Belastbarkeit, Stärken und Schwächen, Motivation, Verhalten, Trainingsalter, Trainingsmethoden, Rahmenbedingungen, Finanzen und Vorgaben des Verbandes eine Rolle. Zu dieser Analyse können Eltern/Erziehungsberechtigte zusätzlich wichtige Informationen beisteuern.
In vielen Sportarten, insbesondere in den Individualsportarten, ist das Führen eines Trainingstagebuchs ein gutes Hilfsmittel für die Planung und Auswertung von Trainingsprozessen und -effekten. Das Trainingstagebuch ist für Nachwuchsathlet*innen, aber auch für Trainer*innen sowie allenfalls auch für Eltern/Erziehungsberechtigte ein Instrument, das bei der Absprache hilft und zur Transparenz beiträgt.
Ein Trainingstagebuch kann helfen, auf kurzfristige Veränderungen zu reagieren und gegebenenfalls Trainingsmassnahmen anzupassen. Ausserdem kann aus Vergangenem gelernt werden (z.B. Zeitpunkt der Wiederaufnahme des Trainings nach einer Erkältung) und so die individuelle Trainingssteuerung verbessert werden.
Übliche Inhalte eines Trainingstagebuchs sind:
In vielen Sportarten werden bereits im Nachwuchsalter diverse Leistungstests für eine optimale Leistungsevaluation und Trainingsplanung eingesetzt. Sie dienen der Erfassung des Leistungszustands und stellen die Leistungsentwicklung dar. Diese Resultate erlauben den Trainer*innen (und auch den Athlet*innen), das Training individuell anzupassen.
Ziel eines langfristigen Trainingsprozesses ist es, die erworbene Leistungsfähigkeit an einem Wettkampf zu zeigen und am Tag X das individuelle Leistungspotenzial möglichst gut abrufen und ausschöpfen zu können.
Es ist unmöglich, 365 Tage im Jahr in Bestform zu sein. In vielen Sportarten gelingt dies nur
während rund vier bis sechs Wochen. Das bedeutet, dass die Zielsetzungen für die geplanten Wettkämpfe unterschiedlich sein müssen und es zu definieren ist, welches die Vorbereitungs-, welches die Test- und welches die Hauptwettkämpfe der Saison sind.
Viele Faktoren haben Einfluss auf die Trainings- und Wettkampfplanung. Optimalerweise erfolgt die sportliche Ausbildung stufengerecht und ist individuell auf Ihr Kind abgestimmt. Informieren Sie sich über die Trainings- und Wettkampfplanung und nehmen Sie bei Unklarheiten mit der Trainer*in Kontakt auf.
Weitere hilfreiche Informationen und Buchtipps
Nachwuchsathlet*innen trainieren je nach Sportart und Trainingsalter schon ab etwa zwölf Jahren zwischen 10 und 25 Stunden wöchentlich. Damit die Eltern/Erziehungsberechtigten allgemeine Trainingsprozesse und -wirkungen nachvollziehen und verstehen können, ist es nützlich, die wichtigsten Aspekte der Trainingswissenschaft zu kennen. Die zum Einsatz kommenden Trainingsmassnahmen unterscheiden sich in den verschiedenen Sportarten jedoch erheblich.
Jede sportliche Leistung erfordert den koordinierten Einsatz sowohl aus physischen (körperlichen) als auch aus psychischen (geistigen) Komponenten und hat entweder energetischen Charakter (Energiespeicher und -fluss) oder einen Steuerungsakzent (Prozesse in Gehirn und Zentralnervensystem).
Leistungen im Training und im Wettkampf werden durch eine Vielzahl von endogenen (inneren) und exogenen (äusseren) Faktoren beeinflusst. Primär können nur die endogenen Komponenten in unterschiedlichem Mass durch das Training beeinflusst werden.
Exogene Faktoren
Wettkampforganisation, Zuschauer, Betreuende/Funktionsträger*innen, Gegner*innen/Konkurrenz, Medien/Presse, Klima/Witterung, Soziales Umfeld, Ausrüstung/Material, Wettkampfanlagen, Trainer*innen
Endogene Faktoren
Anlagen (Belastungstoleranz und Adaptionspotenzial), Konstitution und Gesundheit, Psychophysische Leistungsbereitschaft, Konditionelle Fähigkeiten (Kraft, Ausdauer, Schnelligkeit), Koordinative Fähigkeiten und technische Fertigkeiten, intellektuell-kognitive Fähigkeiten, Ernährung
Jeder Mensch reagiert individuell auf Trainingsreize. Die Gesamtbelastung des Trainings oder einer Trainingsperiode hängt im Wesentlichen von folgenden Parametern ab:
Trainings von zu geringer Intensität oder zu geringem Umfang lösen keine Anpassungen aus, so dass es zu einer Leistungsstagnation oder gar zu einem Verlust an Leistungsfähigkeit und Belastungstoleranz kommen kann. Zu intensive Trainingsreize oder zu hoher Trainingsumfang können kontraproduktiv sein und zu Übertrainingssymptomen und Überlastungsbeschwerden führen.
Je grösser die Trainingsintensität, desto grösser muss die Erholungszeit und desto kleiner der Trainingsumfang sein.
Der menschliche Körper mit seinen Organen (Muskeln, Herz etc.) kann sich im Rahmen der genetisch festgelegten Grenze den Anforderungen durch Trainingsreize und Umwelt anpassen.
Prinzip der Superkompensation
Zwischen der Belastungsanforderung und dem Leistungsniveau des Körpers besteht ein dynamisches Gleichgewicht, eine sogenannte Homöostase. Durch Belastungsreize ausgelöste Anpassungsprozesse verbessern das Leistungsniveau über das Ausgangsniveau hinaus. Dieser Vorgang heisst Superkompensation. Die Superkompensationseffekte bilden sich nach kurzer Zeit zurück. Um eine bestimmte Leistungsfähigkeit zu erhalten oder gar eine Leistungsverbesserung zu erzielen, müssen die Trainingsreize deshalb regelmässig wiederholt werden. Anpassungsprozesse in der Superkompensationsphase sind Grundlage für Funktions- und Leistungssteigerungen.
Übertraining ist ein krankhaftes Auftreten von Symptomen, die auf eine systematische Erschöpfung zurückzuführen sind (vergleichbar mit einem Burnout-Syndrom). Dies hat eine massive Trainingsreduktion von einigen Wochen und einen gravierenden Einschnitt in die Wettkampfplanung zur Folge. Mögliche Anzeichen für ein drohendes Übertraining können allgemeine Trainingsmüdigkeit, Gefühlsschwankungen, Schlafprobleme, Appetitlosigkeit oder Schwankungen des Körpergewichts sein.
Die Wirkungen des Trainings sind auch vom bisher erreichten Trainingszustand abhängig. Je mehr das Anpassungspotenzial ausgeschöpft ist und je näher Athlet*innen an die genetisch festgelegte Leistungsgrenze kommen, desto schwieriger wird es, Leistungssteigerungen zu bewirken. Hochtrainierte steigern sich nur noch, wenn sie regelmässig ihr Leistungspotenzial ausschöpfen. Damit findet die Leistungssteigerung in kleineren Schritten statt. Spezifischere Trainingsmethoden und Trainingsschwerpunkte auf bestimmte Teilkomponenten des sportartspezifischen Anforderungsprofils kommen vermehrt zur Anwendung.
Das Training wird von der Trainer*in gesteuert. Trainings im Nachwuchsleistungssport unterscheiden sich von Spitzensporttrainings, indem sie dem Alter angepasst werden. Ihnen als Eltern/Erziehungsberechtigte sollte bewusst sein, dass mit zunehmendem (Trainings-)Alter der Trainingsumfang kontinuierlich gesteigert werden muss. Es gilt in vielen Sportarten die Faustregel, dass mindestens 10 000 Trainingsstunden erforderlich sind, um das Niveau der Weltspitze erreichen zu können.
Weitere hilfreiche Informationen und Buchtipps
Für Nachwuchsathlet*innen ist die Herausforderung oft grösser als bei Profis, neben Training und Ausbildung genügend physische und psychische Erholungszeit zu finden, um so die eigene Leistung optimal zu steigern. Belastung und Erholung bedingen sich gegenseitig und müssen gemeinsam von Trainer*innen, Nachwuchsathlet*innen und den Eltern/Erziehungsberechtigten in weitsichtiger Planung sorgfältig aufeinander abgestimmt werden. Dies erfordert von allen eine gute Kommunikation, Empathie und Flexibilität.
Superkompensation
Während der Regenerationsphase reagiert der Organismus auf die vorangegangenen Trainingsreize. Der Körper repariert die belasteten Strukturen und verbessert ihre Eigenschaften über das ursprüngliche Niveau hinaus (Superkompensation). Mit diesem immer wiederkehrenden Prozess passt sich der Organismus an erhöhte Anforderungen an (siehe auch Bereich «Trainingssteuerung»).
Warm-up und Cool-down
Ein sorgfältiges und sportartspezifisches Aufwärmen bereitet den Körper auf die bevorstehende Belastung vor. So wird die akute Leistungsfähigkeit gesteigert und Überlastungen entgegengewirkt. Wichtig ist auch das Cool-down am Ende der Trainingseinheit. Es unterstützt den kontinuierlichen Wechsel von Spannung und Entspannung, die mentale Verarbeitung der Belastung und Einleitung der Regeneration.
Übertrainingssyndrom
Wenn die Regeneration vernachlässigt oder zum Beispiel durch psychischen Stress beeinträchtigt wird, kann es zu einer Leistungsstagnation und im ungünstigsten Fall zu einem Übertrainingssyndrom kommen. Dies begünstigt das Auftreten von Sportverletzungen. Besonders zu beachten ist, dass die sogenannten passiven Strukturen wie Knochen, Knorpel, Sehnen und Bänder wesentlich längere Regenerationszeiten benötigen als die aktiven Strukturen wie Muskeln (siehe auch Bereich «Trainingssteuerung»).
Grundlagenausdauer
Eine gute aerobe Grundlagenausdauer (Ausdauerfähigkeit bei langen, submaximalen Belastungen) verbessert die individuelle Erholungsfähigkeit. Das Grundlagenausdauertraining beinhaltet eine langandauernde und lockere Belastung. Ein einfaches, aber effektives Mittel zur Trainingssteuerung ist, wenn man sich während dem Grundlagenausdauertraining noch unterhalten kann.
Die Anpassungsprozesse sind komplex und für den Organismus mit grossem Aufwand verbunden. Der Zeitbedarf für die Regeneration und die anschliessende Adaption (Anpassung des Körpers an Belastungen) ist sehr unterschiedlich. Gewisse Organe und Organsysteme erholen sich rasch und können sich in relativ kurzer Zeit anpassen, während andere nur langsam auf Trainingsreize reagieren.
Verschiedene Massnahmen unterstützen die Regeneration und können die Erholungszeit aktiv verkürzen. Dadurch werden speziell die Stoffwechselprozesse verbessert, der Muskeltonus reduziert und der Blutrückfluss gefördert. Je intensiver die sportliche Belastung ist, desto länger dauert die Erholung und desto mehr aktive Massnahmen sind hilfreich.
Als Eltern begleiten Sie Ihr Kind nicht nur während der sportlichen Leistungen. Sie bieten ihm auch ein optimales Umfeld für die Erholungsphasen, die in erster Linie zu Hause stattfinden. Zudem spüren Sporttalente das natürliche Bedürfnis nach Ruhe und Erholung noch nicht in jedem Fall und sind auf Ihre Unterstützung angewiesen.
Weitere hilfreiche Informationen und Buchtipps
Wir verwenden Cookies und Analysetools, um die Benutzerfreundlichkeit der Webseite zu verbessern. Indem Sie auf «Akzeptieren» klicken, stimmen Sie zu, dass wir für diese Zwecke Cookies verwenden. Weitere Informationen finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.